Gerade fand die Jahrestagung des DRV im fernen Abu Dhabi statt.
War die nachhaltig?

Von Borstel: Die Voraussetzungen für einen nachhaltigen Kongress waren ein Jahr zuvor in Salzburg natürlich günstiger – allein wegen der Anreise. Aber selbst die ließ sich in Abu Dhabi kompensieren – wir müssen uns eben den Realitäten und Herausforderungen stellen. Der DRV hat, mit unserer Unterstützung, gezielt nachhaltige Kriterien umgesetzt und dabei einen starken Impuls in den Veranstaltungsort hinein getragen: Angefangen beim Veranstaltungsmanagement über die Frage der Müllerzeugung und -beseitigung bis hin zur Energie. Die Menschen im Emirat für dieses Thema zu sensibilisieren, war eine der Herausforderungen.

Also kein Etikettenschwindel?


Überhaupt nicht. Im Gegenteil: Wenn wir im Tourismus ein Zeichen setzen wollen für Nachhaltigkeit, dann ist das genau der richtige Weg. Zeigen, dass auch an so einem Ort Green Meeting möglich ist. Natürlich ist da nicht alles zu 100 Prozent perfekt, aber Nachhaltigkeit ist ohnehin kein Zustand, sondern ein Prozess, den es zu entwickeln gilt.

Und auch kein Modetrend?

Auch da sage ich: Nein. Denken Sie nur daran, dass der DRV dieses Jahr seine Eco Trophea – den Preis für Umweltschutz und soziales Engagement in der Branche – zum 28. Mal verliehen hat. Da kann von einem Modetrend keine Rede sein. Das Thema ist bei den Reiseveranstaltern und den Verbänden in Deutschland seit den Neunziger Jahren präsent – und entwickelt seit einiger Zeit eine immer größere Dynamik. In Deutschland passiert relativ viel, das Thema Nachhaltigkeit ist im Tourismus und im Tagungsgeschäft längst angekommen.

Lässt sich der Begriff überhaupt konkret definieren?

Wenn Sie sich zertifizieren lassen wollen, dann gehen Sie eine Reihe von ganz konkreten Verpflichtungen ein, die Sie detailliert abarbeiten müssen. Das Zertifikat ist also eine verlässliche Struktur für den Begriff Nachhaltigkeit. Ein Unternehmen sollte sich mit den drei Säulen auseinandersetzen: Das ist einmal die Ökonomie, also beispielsweise die Frage, wie man Energie einspart. Dann die Ökologie, das Schonen von Ressourcen und – drittens – der soziale Aspekt: Wie kann ich Arbeitsplätze schaffen und erhalten, wie geh ich mit den Mitarbeitern um – vor allem in den Urlaubsdestinationen.

Wie hoch ist der Anteil an Kongressen in Deutschland, die nachhaltig sind?

Der liegt gegenwärtig noch im einstelligen Prozentbereich. Aber das wird sich schon bald stark ändern. Wir beschäftigen uns seit mehr als fünf Jahren mit dem Thema. Am Anfang war das vor allem Überzeugungsarbeit. Mittlerweile merken wir, dass viele große Unternehmen Nachhaltigkeit umsetzen und auch viele Verbände hier eine Vorreiterrolle spielen wollen.

Was lässt Sie hoffen, dass die Entwicklung vorangeht?

Ab 2016 kommt die EU-Berichtspflicht. Dann müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern einen Nachweis darüber erbringen, wie nachhaltig sie gewirtschaftet haben. Und weil in diesem Bericht auch die Zulieferer und Dienstleister eine Rolle spielen, werden sich auch Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern mit diesem Thema konfrontiert sehen. Das wird die Marktsituation in Deutschland in den kommenden zehn Jahren radikal ändern, im Ausland wird es etwas länger dauern – vielleicht zwanzig Jahre.

Welchen Einfluss hat das auf den Hotelier?

Ganz einfach: Er verliert – zumindest im Tagungsgeschäft – Kunden, wenn er sich nicht zertifizieren lässt. Ein Beispiel: Vergangenes Jahr hat Volkswagen seine Partner im Tagungsbereich angeschrieben und nach entsprechenden Zertifizierungsnachweisen gefragt. Ähnliches gab es in der Pharmaindustrie und anderen großen Branchen. Diejenigen Hotels, die keine befriedigende Antwort geben können, fallen als zukünftige Partner schlicht aus der Liste. Die EU-Berichtspflicht wird in ihrer Konsequenz also dazu führen, dass mehr Tagungs- und Kongresshotels sich zertifizieren lassen.

Wie helfen Sie den Hotelbetreibern dabei?

Wir beraten und begleiten Unternehmen auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit. Vor fünf Jahren haben wir Green Guides mit dem Ziel gegründet, Veranstaltungen nachhaltig zu organisieren. Mittlerweile haben wir das Thema ausgeweitet auf die Hotellerie und die Touristik. Und wir haben die Green Score Card entwickelt:Ein Leitfaden für die Umsetzung und Durchführung von Green Meetings anhand 13 Handlungsfeldern und mehr als 200 nachhaltigen Maßnahmen. Die werden individuell für jedes Unternehmen umgesetzt. Außerdem coachen wir, veranstalten Seminare oder Workshops zum Thema und haben beispielsweise für die QTA-Reisebüros ein Umweltmanagementtraining entwickelt.

Ist der Kunde bereit, dafür mehr zu bezahlen?

Das ist der interessanteste Punkt: Ein Unternehmen, das nachhaltig agiert, spart nachweislich eine Menge Geld. Weit mehr, als es beispielsweise für Beratung ausgibt. 2012 hat ein großes Pharmaunternehmen eine konventionelle Tagung durchgeführt und im Jahr darauf dieselbe Veranstaltung in Form eines Green Meetings. Die Einsparung lag im Bereich der Nachhaltigkeit bei 16 Prozent. Das ist natürlich auch für ein Hotel, das eine solche Tagung stemmen kann, ein gewichtiges Argument.

Interview Travel-Tribune Ausgabe 50/14

Auflistung der Maßnahmen für eine nachhaltige Veranstaltung in Abu Dhabi

Auflistung der Maßnahmen für eine nachhaltige Veranstaltung in Abu Dhabi das schafft Transparenz.

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